Knalliges Grün in den platinblonden Haaren, Korsage über einem rotem Top und rote Mash-Handschuhe: So präsentiert sich Alli Neumann auf dem Albumcover ihres Debüts. Es gibt wahrscheinlich nicht viele im deutschen Pop, die diese Kombination der Kontraste derartig rocken könnten. Denn alles an Alli Neumann ist eine Ansage. Seitdem sie sich von der Schauspielerin zur Musikerin mausert, scheint Alli mit jedem einzelnen Song ein Stück weiter aus sich herauszutreten. Ihr Album “Madonna Whore Complex” setzt diesem musikalischen Ritt der Popmusikerin nun endlich die Krone auf.
Schon mit ihren EPs hat Alli Neumann ziemlich eindrucksvoll demonstriert, dass sie ihr eigenes Ding durchzieht und nicht viel auf den Zeitgeist gibt. Songs wie “Wenn ich dich seh” kokettierten mit allem, was es an deutschsprachiger Musik bis dato gab, setzten aber eine klare eigene Marke. In Alli steckt eine solide Songwriterin, aber eben auch eine tollkühne, experimentelle Popikone. Zwischen gehauchten und gesäuselten Momenten rotzt Alli auch regelmäßig ihre Wut raus, denn “Madonna Whore Complex” ist ein Pamphlet auf starke, selbstbestimmte Weiblichkeit. Vom Titelsong bis hin zu der sexy Sommernummer “Bike Boy” macht die Musikerin klar, dass sie ihr eigener Boss ist.
Emanzipation auf ganzer Linie
Als besonders großer musikalischer Einfluss wird immer wieder Falco herangezogen. Das lässt sich wahrscheinlich mehr auf ihre Ausdrucksstärke zurückführen, als auf die musikalische Begleitung. Mit ihrer Single “Monster” hatte sie zwar klar die Wiener Ikone zitiert, allerdings pickt sich Neumann überall Referenzen raus, wo sie nur hinschaut: Von krassen 90er Zitaten à la Atomic Kitten in “Herzhotel” bis zu melancholischem Raggeaton in “shh” – das Album schillert in diversen Facetten, die von Allis intensivem Gesang zusammen gehalten werden.
Während sich in den letzten Jahren viele deutsche Debütalben an den bereits erfolgreich gelaufenen EPs bedienten, hat Alli außerdem keine Mühen gescheut: Jeder Titel ist eine Neuentdeckung, hinter der eine klare Botschaft steht. Emanzipation steckt nicht nur in den Texten, sondern auch hinter den Kulissen. Um diesen Stil zu verfolgen, hat sie ihr eigenes Label gegründet. “Madonna Whore Komplex” ist auf ganzer Linie ein mutiger, vollkommener Move. Und wenn man sich diese junge, energiegeladene Frau voller Ideale so anschaut, dann wird klar: Das ist, was deutscher Pop braucht – bitte mehr davon!