Pieter Van Vliet ist einer der umtriebigsten Songwriter der Niederlande. Mit Olaf Caarls spielte der Multiinstrumentalist in dessen Folk-Rock-Band Long Conversations and the Closet Orchestra. Ab 2010 nahm er dann unter dem Namen Port Of Call teils experimentelle, teils narrative Konzeptalben auf.
The songs we know…
In den letzten Jahren machte Van Vliet jedoch vor allem als Songwriter, Sänger und Posaunist der Musikkombo Folk Road Show von sich reden, schrieb er für sie deren spannendste Stücke. Doch neben seinem Talent als Songwriter und dem prägnanten Posaunenspiel ist es vor allem Van Vliets außergewöhnliche Stimme, die begeistert.
Eine Stimme, die im Kopf bleibt
Fast magisch legte sie sich bei der Folk Road Show über die Harmonien der übrigen Bandmitglieder, schwebte im Raum, wechselte vom zarten Flüstern zum energiegeladenen Gebrüll. Derart einmalige Stimmen wie die Van Vliets erlebt man nur selten. Umso eindrucksvoller war es, wenn diese Stimme in erinnerungsvolle und doch zeitlose Gedankenwelten eintauchte und sich vom Klang der Posaune tragen ließ. Doch im Sommer 2018 entschied sich Pieter Van Vliet überraschend, die Supergroup zu verlassen.
Wie Synthies und Shakespeare zusammenpassen
Es sollte kein musikalischer Abschied auf Dauer sein. Mit “Clear Memories” erschien Anfang Juni das erste Album von Port Of Call als Bandprojekt, das verstärkt auf synthetische Klänge setzt. Das mag den ein oder anderen Fan zunächst abschrecken, auf Albumlänge wird jedoch deutlich, wie natürlich, fast bescheiden, sich der Bandsound in Van Vliets Storytelling einfügt. Die Musik sei inspiriert von Shakespeare-Zitaten auf Toilettenpapier, von der erträumten Fahrt im Cadillac, von naiven, sentimentalen Gedanken, schreibt Van Vliet auf seiner Homepage.
Die Magie der Nostalgie
Der Songwriter lässt Erinnerungsfetzen vor dem inneren Auge tanzen. Er erzählt auf märchenhafte Weise vom Zauber der kleinen Momente, bis er in entrückten Metaphern mit der Präzision der beschriebenen Situationen bricht. Gerade die Magie von Dichtung und Musik ist ihm dabei besonders wichtig. Schon früher benannte Van Vliet ein Stück nach dem portugiesischen Dichter Fernando Pessoa und beschwor in “Meredith” die Kraft der Musik zur Bändigung der Massen. In der kürzlich ausgekoppelten Leadsingle des neuen Albums, “A Summer Night’s Dream (Shakespeare)”, die mit Akustikgitarre und Posaune einen der eher klassischen Albumtracks darstellt, steht wieder ein berühmter Poet im Mittelpunkt.
Ein etwas anderer Sommernachtstraum
Das Lied, das von Van Vliets Studentenzeit in Amsterdam inspiriert wurde, wendet sich jedoch gegen die passive Idolisierung der Helden.
„Oh God, she read Shakespeare in the morning
Port Of Call – A Summer Night’s Dream (Shakespeare)
I said fuck Shakespeare and his rhymes
These days all is read at nighttime,
And to read one has to write.“
Stattdessen entsteht für Van Vliet die Dichtung aus der Schönheit der Situation selbst . Der Niederländer lädt dazu ein, zum Protagonisten der ganz eigenen Geschichte zu werden. Dazu passt auch, dass die Band augenzwinkernd schreibt, die Lieder handelten von einer goldenen Generation, die aus den besten bestehen würde, die die Geschichte erschaffen habe. Die Botschaften und Eindrücke, die Van Vliet in seinen Liedern beschreibt, sind nicht neu. Doch Van Vliet schafft es, die Worte so zu wählen, die Instrumente so klingen zu lassen, dass er mit ihnen seine ganz persönliche Geschichte schreibt. Und bleibt immer noch so abstrakt, dass Raum für das ein oder andere Mysterium bleibt.
„Oh it's something you will never even know
How the sound became the motion
How the motion became the songs we know.“
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