Das Foto eines blonden Mannes, der vermutlich die Herzen sämtlicher Schwiegermütter zum Schmelzen bringt. Im Hintergrund eine junge Frau im Anschnitt. Beide schauen durch die Säulen hindurch in die Weite. So sehnsüchtig kommt das Cover von Max Richard Leßmanns Debütalbum “Liebe in Zeiten von Followern” daher. Es wirkt wie aus der Zeit gefallen, könnte es ohne die rosa Schrift, in der sein Name und der des Albums geschrieben steht, auch gut in den 60ern von der HörZu verlegt worden sein. Auch inhaltlich orientiert sich das Album auf heutzutage unübliche Art. Es geht um Liebe und das in Zeiten des Hasses oder um es in den Worten von Max Richard Leßmanns Lied “Sie trinkt, sie raucht, sie riecht gut” zu sagen: „Wenn sie liebt, dann ganz ohne Zweifel, doch leider passt das nicht in die Zeit.“
Der Wunsch nach ein wenig Liebe, Hoffnung und Beständigkeit lodert insgeheim in den Menschen. Nur aussprechen, will es niemand – oder kann es vielleicht auch nicht. Dabei scheint es beim anonymen Hass im Netz und weniger anonymen Hass in der Politik gerade wichtig zu sein, sich auf das Gute zu besinnen. Trotzdem bleibt es meist bei einem stillen Wunsch. So auch in der Musik, sie ist entweder politisch oder ihr ist Politik egal. Sie dreht sich entweder um Nichtigkeiten oder Gefühle. Letzteres selten hoffnungsvoll und meist betont schwermütig. Auch Max Richard Leßmann kann von betonter Schwermut ein Lied singen bzw. hat es lange Zeit mit seiner Band Vierkanttretlager getan. Indie-Rock in Endzeitstimmung mit viel Groll über die Welt. Vielleicht ist das auch der Grund, wieso er nun zusammen mit Sebastian und Johannes Madsen ein Album mit ehrlichen Liebesliedern herausgebracht hat. Es befüllt hat mit leichten Melodien und sanften Texten, die so unaufdringlich sind, dass sie angenehm daher plätschern. “Liebe in Zeiten von Followern” vereint Elemente von Swing, Chanson und Jazz und schafft es dabei beim Hören Erinnerungen hervorrufen, die vergessen geglaubt waren. Platten, die die Eltern und Großeltern vielleicht gehört haben. Lieder, die irgendwann im Hintergrund liefen. Der Soundtrack der Vergangenheit – ohne die „Früher war alles besser“-Mentalität. Der Kitsch in den Texten ist dabei nicht aufdringlich, sondern gut portioniert und das trotz der vermeintlich verrufenen, deutschen Sprache. Denn die Lieder von Max Richard Leßmann sind nicht nur eine Erklärung an die Liebe, sondern auch eine Liebeserklärungen an die Sprache selbst. Sei es in Form vom wiedererweckten Konjunktiv II wie bei „Ich wünschte, dass ich niemanden mehr kennte“ oder der versteckten schönen Sätzen, die bei der lässigen Art sie vorzutragen, fast untergehen.
„Schreib deinen Namen in den Staub und er bleibt für immer. Hier räumt keiner auf und auch kein Gewitter
verwischt hier je unsere Spur und was wahr war, bleibt wahr und wenn du irgendwann gehst, bleibst du doch immer da.Du sagst mein Herz ist unerreichbar wie der Mond, dass du nicht weißt, ob deine Liebe sich lohnt, doch schau in das Grau,
Max Richard Leßmann – Spuren auf dem Mond
dann siehst du genau, dass jemand dort wohnt. Da sind Spuren auf dem Mond.“
So umfasst das Debütalbum zwölf Ohrwürmer, die dazu einladen, sie unbemerkt im Büro oder der Bahn mitzusingen. Dabei sind sie so unaufgeregt arrangiert, dass sie nicht anfangen zu nerven oder ihren Reiz verlieren. Vielleicht ist das sogar eine der Schwächen des Albums, denn ab und zu kommt beim Hören der Wunsch nach ein wenig instrumentaler Gewagtheit auf. Ein wenig mehr Experiment und Dramaturgie. Vielleicht braucht es das aber auch nicht.
“Liebe in Zeiten von Followern” ist ein Album, was gleichzeitig so aktuell wie aus der Zeit gefallen ist, wie es nur sein kann. Es kommt mit einer überraschenden Leichtigkeit daher und analysiert gleichzeitig anschaulich die Gegenwart, ohne dabei den Anspruch zu haben, kritisch zu sein. Die Lieder transportieren eine Sehnsucht und irgendwo klatscht Max Raabe zustimmend Beifall, während Max Richard Leßmann zu Bläserklängen und Piano über “Die Welt hinter den Worten” und “Küssen” singt. Sicherlich wird Leßmanns unverblümte Art über große Gefühle zu sprechen, einige HörerInnen abschrecken, aber gerade das demaskiert – ob ungewollt oder nicht – ein Symptom unserer Zeit. Das Rezept: Liebe in Zeiten von Hass.