Seit zehn Jahren präsentieren wir bei TV Noir Musiker, die mit Leidenschaft auf der Bühne stehen. Jetzt haben wir uns mit dem Brausehersteller fritz-kola zusammengetan, um solchen “Wachen Menschen” noch viel mehr Raum für Ihre Gedanken, Aussagen und Gefühle zu geben – der TV Noir Podcast ist geboren. Jede Woche treffen wir Menschen, die mit offenem Geist, Empathie und Tatendrang etwas verändern – auch wenn das ab und an wie im Fall Marcus Wiebusch zu Meinungsverschiedenheiten führt. Noch lange vor der Zeit von Kettcar sah der Sänger und Songwriter sich immer wieder hitzigen Diskussionen mit der linken Szene ausgesetzt, weil er sich mit der vorherrschenden „Kaltherzigkeit“ nicht abfinden wollte. Marcus Wiebusch war nie dort zuhause, wo engstirnige Meinungen vertreten werden, aber stets da, wo sein Herz schlägt. Im Podcast berichtet er über diesen Konflikt, darüber wie die Szene ihn sozialisiert hat, aber welche Probleme für ihn damit einhergehen. Wie Anfang der 90er die Punk-Hardcore-Szene sehr aktiv war und wieso er “Balu” und “Sommer ’89” auf der Kettcar-Tour trotz Kritik nah beieinander spielt.
Marcus Wiebusch – „Von den verbitterten Idioten nicht verbittern lassen”
„Empathie ohne Mitleid / Vielleicht das allerletzte Bollwerk / Ein Bollwerk immun gegen Kommentarfeldbuchstaben / Resistent gegen Apathie und genug Hirn / An die völlig unbekannten, hier nicht genannten / An die jetzt und hier nicht ausgebrannten “(“Den Revolver entsichern” von Kettcar), ruft Marcus Wiebusch auf dem aktuellen Kettcar Album “Ich vs. Wir” auf und führt fort: „Von den verbitterten Idioten nicht verbittern lassen.“ Er versucht damit erneut einen Weg aufzuzeigen, ein gemeinsames Zusammenleben zu ermöglichen. Dabei ist der Sänger es gewohnt, dass seine Ideen und Ausdrucksformen gerade im linken Spektrum oft auf Kritik stoßen. So erzählt er im Gespräch mit Tex, wie seine Band …But Alive daran zerbrach, dass er beim vierten Album mit den Erwartungen der Szene brach. Als Rebell, der seiner Rolle nicht mehr gerecht werden wollte. Ein weiterer musikalischer Bruch entstand dann später mit dem Folgeprojekt Kettcar, als sie den Song “Balu” veröffentlichten, da es ein augenscheinlich unpolitisches Liebeslied ist. Doch selbst bei “Balu” kann Marcus Wiebusch nicht aus seiner Haut, lautet eine Textzeile in diesem Song doch: „Frieden ist, wenn alle gleich sind.“ Brüche gehören zu Marcus Wiebusch wie – hier gerne Fußballvergleich einfügen. Bereits als der von der falschen Seite der Elbe stammende Hamburg mit seiner ersten Band Die vom Himmel fielen startete, wusste er: „Für unsere ersten Auftritte wären wir hier im Rote Flora, Störtebeker und vielleicht in dem einen oder andere Club geschlachtet worden. Wir wären buchstäblich geschlachtet worden.“ Worüber er im Podcast scherzt, zeigt aber vielmehr seine Bandbreite und das Stehvermögen. Als links sozialisierter, in der Jugend durchaus wütender, aber emphatischer Mensch, akzeptiert Marcus nicht bedingungslos. Er zeigt der linken Szene immer wieder in Liedern und Aussagen auf, wo sie seiner Meinung nach in die falsche Richtung denke und handle. Gegen das System – auch wenn es links ist oder in seinen eigenen Worten: „All die hohen Ideale, retten dich nicht davor ein Arsch zu sein“ (“Korrekt I” von …But Alive)
Aus dem gleichen Herzen
Auf der aktuellen Tour spielen Kettcar, die beiden Lieder, die laut dem Musiker am weitesten auseinander liegen, kurz hintereinander: “Balu” und “Sommer ’89”. „Ich habe nach der Tour Stimmen aus meinem Freundeskreis gehört, die gesagt haben: „Hey Marcus, du kannst diese beiden Songs im Set nicht so nah beieinander spielen. Die glauben dir den jeweiligen Song nicht mehr, die glauben dir den nicht.“ Da habe ich lange drüber nachgedacht und habe dann gesagt – und das sage ich jetzt manchmal auch bei den Ansagen von der Bühne: „Hey, das ist dasselbe Herz und ich versteh nicht, warum man nicht durch und durch politischen Song und danach ein Liebeslied schreiben kann, weil im Grunde genommen schließt sich da nichts aus.“ Im Gegenteil, der Weg zu einer besseren Zukunft ist laut vieler Gäste im Podcast Empathie. Sei es Jan Plewka, dessen Schlüssel die Liebe ist, oder Max Prosa, der seinem Publikum und sich selbst neue Perspektiven eröffnen möchte. Bei Marcus Wiebusch kommt diese Einstellung hier und da ein wenig ruppiger daher, aber gerade weil es bei ihm aus Liebe entsteht. Es geht um Empathie ohne Mitleid, es geht darum, dass Frieden ist, wenn alle gleich sind oder um die Worte von Nick Lowe zu bemühen, die Marcus Wiebusch in “Den Revolver entsichern” zitiert: „What’s so funny ’bout peace, love and understanding?“
Hört Euch hier die weiteren Folgen von “Wache Menschen” an: tvnoir.de/podcast.