Springsteen in weiblich und aus Deutschland – geht das?! Eine Generation, geprägt vom Boss, scheint gerade über sich hinaus zu wachsen und auch in Deutschland kommt die Springsteen-Nostalgie in einer wunderbaren neuen und emanzipierten Form gerade auf. Philine Sonny ist gerade mal mit einer Handvoll Singles im Musikbusiness und hat uns dennoch schon überzeugt. Dabei ist sie der Inbegriff eines All-Round-Talents und ist Teil der Bedroompop-Bewegung. Ähnlich wie europäische Singersongwriterinnen es gerade vormachen (z.B: Clairo, Girl in Red, beabadoobee oder auch Novaa) hat sich auch Philine Sonny für den Alleingang entschlossen und bringt dennoch einen üppigen Bandsound zusammen.
Mit 10 Jahren hat sie ihre ersten musikalischen Schritte gemacht und ihr Repertoire ist stetig gewachsen. So spielt sie Schlagzeug, Gitarre, Bass und Klavier; ach ja, und singen kann sie natürlich auch. Und während andere Musiker*innen sich eher davor scheuen, sich in die Welt der Musiktheorie zu stürzen und um ihre Intuition bangen, studiert Philine das ganze vom Fach. Ihrem Songwriting scheint es kaum zu schaden, denn ihre Songs sind facettenreich und trotzdem eingängig und überraschend zugleich.
Mit „Lose Yourself“ ging die Musikerin im vergangenen Jahr an den Start. Ein ruhiger Song über klassische Coming-of-Age-Sorgen. Mit kleinen Referenzen an den Film ‚Ladybird‘ thematisiert Philine mit ihrer sensiblen Beobachtungsgabe die Momente des Zweifelns und der großen Lebensentscheidungen, die man gefühlt viel zu früh treffen muss. Die Gitarre und ihre Stimme klingen dabei selbst fast ein bisschen verloren. Die Melodie erklingt umgeben von einem leichten Hall und die kleinen kratzigen und gebrochen Momente harmonieren mit der Stimmung des Songs.
Philine Sonny zeigt detaillierte Beobachtungsgabe
Darauf folgte dann „Same Light“, die wohl ‚Springsteenigste‘ Single der Musikerin. Dafür ist natürlich ein wunderbares Saxofon-Solo verantwortlich, das sich gemeinsam mit E-Gitarren ein Stell-dich-ein gibt. Kaum zu glauben bei dem Intro, das so intim, so zart daherkommt. Anhand dieses Songs sollte auch die Detailhingabe der Musikerin klar werden. Sei es ein kleines Schmunzeln im Hintergrund der ersten Sekunden, viele verschiedene Backing-Vocals, die so minutiös und zart die sehnsüchtige Hook unterstützen. Oder die kleinen Effekte, die sich über einzelne Zeilen oder Worte legen, um diese zu betonen.
Sensibles Songwriting und Produktion geben sich die Hnd
Die Produktion ist genau auf Song und Text abgestimmt, Philine zeigt, dass das Credo der Authentizität nicht alles ist: Produktion muss nicht heißen, dass Songs weniger real oder intim sind, ganz im Gegenteil, durch die aufwendige Produktion schafft es Philine, ihren Worten eine ganz neue Ebene hinzuzufügen, die keinesfalls an ihren gesanglichen Qualitäten zweifeln lassen oder die Eindringlichkeit mindern.
Zuletzt hat Philine Sonny nun mit „Oh Brother“ einen Song veröffentlicht, der deutlich reduzierter ist: Die E-Gitarre wurde gegen eine akustische eingetauscht, deren Saiten hier und da schnarren und auf der man hört, wie sie zwischen den Akkorden die Griffe wechselt. Einzelne Zeilen werden von einem Chor ihrer eigenen Stimme immer wieder aufgehebelt und versprechen eine wohlige Gänsehaut. Spätestens, wenn sich der gesamte, ruhige Folk-Song öffnet, von zurückhaltenden Synth unterstützt wird und die Hintergrundstimmen sich um weitere Harmonien vermehren. Drei Songs, die zwar recht unterschiedlich erscheinen, aber ganz klar bereits einen Stil etablieren; einen Stil, der sich insbesondere durch die Detailliertheit und ihre Hingabe auszeichnet.