Platz 8: Gisbert zu Knyphausen – oh du wunderschöne Melancholie

Menschen, die eine anhaltende Melancholie in sich tragen, haben zwei Möglichkeiten: Sie widmen sich dem Wein oder der Kunst, und während sich der Bruder dem Familien-Weingut widmet, entschied sich Gisbert zu Knyphausen für die Kunst. Glücklicherweise, denn dieser Weg beschert uns seit nunmehr zehn Jahren düster-schöne Gedichte in einem Meer aus Melodien und ihm den Platz 8 unseres Countdowns zu 100 Millionen Views.

Gisbert zu Knyphausen – Gesungene Gedichte

Gisbert zu Knyphausen ist einer der talentiertesten Lyriker unserer Zeit. Eine Aussage, mit der sich niemand gefährlich weit aus dem Fenster lehnt. So sind Kritiker seit dem ersten, nach ihm benannten Album von den Texten des gebürtigen Hessens begeistert. Seitdem gibt es verschiedene Projekte, an denen er mitwirkte. Unter spielte er gemeinsam mit Nils Koppruch in der Band Kid Kopphausen, auf deren LP “I” er das Gegenteil behauptet: „Ach wär ich ein Dichter, ich hätt’ es auch besungen, und es hätte wundervoll zart, ja fast himmlisch geklungen.“ Da ist sie dann wieder die Melancholie, die ihm stets anhaftet, die sich durch die Musik zieht. Laut und klar. Diese zarte Finsternis, die die Lieder so nah erscheinen lässt und dazu führt, dass Zuhörer sich in ihnen verlieren können. Zwar sind sie nicht selten in malerische Metaphern gehüllt, doch erzeugen sie – selbst unverstanden – wie beim bloßen Betrachten eines Gemäldes stets ein Gefühl. Aus Worten werden Welten, für deren Erschaffung sich Knyphausen einer Palette an Farben bedient. Dunkle Töne wie ein tiefes Blau, fast Schwarz, harmonieren mit hoffnungsvollem Grün und warmen Gelb.

„Alle sind stumm bis auf das Radio
und auf der Gegenfahrbahn
Lichter die aus dem Dunkeln sich verirren
Es geht mir gut, es geht mir sehr, sehr gut
Wohin auch immer wir fahren,
jeder Meter bringt uns weiter weg
und führt uns näher ran
an all die Dinge die wir nie begreifen werden
Oh, solange dir Räder rollen stehen meine kleinen Teufel still
Halte bitte nicht an, bitte noch nicht“

Pastelle und Neonfarben. Balladen und Punk.

Erdtöne mischen sich unter Pastelle und Neonfarben, auf der Leinwand entsteht daraus etwas Neues. So erblicken ruhige Lieder ebenso diese Welt wie die punk-haltigen EPs von seinem Projekt Husten, dessen zweite Vinyl “Zurück zum Heißen” am 25. Mai in einer auf 1000 Stück limitierten Sonderpressung erschienen ist. Die Vinyl ist goldfarben und auf der B-Seite befindet sich ein Artwork mit einer Giraffe als Print. Im letzten Jahr schenkte Gisbert Wilhelm Enno Freiherr zu Innhausen und Knyphausen – wie er gebürtig heißt – der sinnsuchenden Menschheit nach einigen Jahren Pause außerdem sein bislang vielleicht bestes Album “Das Licht dieser Welt”. Voller Hoffnung und Schmerz, voller explosiver Wut und leisen Zwischentönen, voller Liebe und Melancholie. Diese immerwährende Melancholie, die mit Gisbert zu Knyphausen einhergeht, ihn begleitet und bereichert. Mit der er jedoch scheinbar ebenso im Konflikt steht, die ihn immer wieder belastet und durch welche er bereits 2010 auf der Platte “Hurra! Hurra! So nicht.” sein Fazit zieht und damit eine darin innenwohnende – so hoffnungsvoll wie traurige – Wahrheit eröffnet:

„Ich mein du weißt ja, eigentlich mag ich dich sehr gerne. Wenn du nur ab und zu mal deine Fresse halten würdest. Aber du zerredest mich solange, bis ich nicht mehr weiß, wo ich bin und was ich will.
Komm sei endlich still, Melancholie, sei endlich still

Was hast du der Menschheit jemals Gutes gebracht? Außer Musik und Kunst und billigen Gedichten? Hast du darüber schon mal nachgedacht? Ach fick dich ins Knie, Melancholie, du kriegst mich nie klein“

Gisbert zu Knyphausen – Melancholie

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