“Nie zur selben Zeit” – Lina Maly blüht auf

Lina Maly endlich wieder auf Albumlänge. Endlich ist „Nie zur selben Zeit“ erschienen und spiegelt die turbulenten letzten Jahre wieder. Denn natürlich war Lina Maly nicht tatenlos. Seit ihrem letzten Album „Könnten Augen alles sehen“ sind bereits viele Singles erschienen und Lina hat sich auch auf dem ein oder anderen Feature gezeigt. So hatte die Singersongwriterin beispielsweise mit Moritz Krämer oder Antje Schomaker zusammen gearbeitet. Seit der Single „Die Liebe blüht“, die im Mai erschien, ging es jedoch zielstrebig auf die neue LP zu.

Ganz unter dem Stern dieser ersten Single steht auch das ganze Album und das blumige Thema zieht sich durch viele Lieder hindurch. Darüber hinaus ist es die erste Platte, die Lina bei ihrem eigenen Label “Drei Tulpen Records” veröffentlicht. Das florale Leitthema ist also auf jeder Ebene präsent. Und auch die Stimmung des Albums selbst passt zu der gewählten Bildsprache. Wie ein zartes Pflänzchen im Morgentau, ganz fein, unberührt und dennoch stark erklingt Lina Maly auf diesem neuen Album. Das ganze Album ist eine große Stimmung, ein stringenter Vibe, der voller Ehrlichkeit und Zerbrechlichkeit steckt. Immer wieder fängt einen Lina Maly ein, nimmer einen mit auf ihre Reise, die zwar ganz leicht klingt, aber mit einer schweren Melancholie einhergeht.

Es steht ein klarer Prozess hinter „Nie zur selben Zeit“, der immer wieder neue Zwiespalte aufzeigt und versucht, die Wahrnehmung zu schärfen. Obwohl Maly immer wieder die ganz großen Gefühle anspricht, ist das Album wahnsinnig schlicht und erstaunlicherweise recht unverblümt. Ohne viel Pathos beschreibt sie zum Beispiel das Gefühl der Unsicherheit, die sich ausbreitet, wenn man sich verliebt. Das Hin und Her zwischen junger Zuneigung und das Ausloten neuer Grenzen.

Lina Maly vereint Betroffene von sexualisierter Gewalt

„Wie weit“ kreiert dabei auch auf musikalischer Ebene einen kleinen Balanceakt zwischen großem Klang und knisternder Stille. Mehr als je zuvor arbeitet Lina mit ihrer eigenen Stimme und inszeniert sie als festen Bestandteil der Instrumentals. Mal erscheint sie fragmentiert als ein Bestandteil des Beats, viel klarer aber als wabernder Untergrund, der chorische Akzente bringt. Ein besonderes Kernstück ist das Lied „Schmerz vereint“. Hier adressiert Lina Maly die Erfahrungen von sexualisierter Gewalt, die sie und ihre Freundinnen teilen. Dabei lotet sie erneut die Grenzen aus zwischen Flirt und Übergriffigkeit und widmet sich im Text auch Szenarien psychischer Gewalt. Gleichzeitig soll das Lied selbst, wie es der Titel bereits andeutet, das Schweigen brechen und die Erfahrungen, die so viele Frauen tagtäglich machen, zusammenbringen. Es ist ein starker Titel, der dem Album eine finale Note der Dringlichkeit verleiht.

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