Wäre Moritz Krämer ein Kleidungsstück, dann wäre er eine Strickjacke aus Schurwolle mit kleinen aufgenähten Taschen und einem Muster aus Hähnen und Sonnen am Saum. Wäre Moritz Krämer eine Süßigkeit, dann wäre er wohl ein Lotus Karamellkeks, wie man ihn in klassischen Kaffeehäusern zum Heißgetränk bekommt. Kurzum: Moritz Krämer ist Geborgenheit pur. Die Stimmung ist dabei so ikonisch und grundlegend, dass sie den Sound bestimmt, ob Solo oder mit seiner Band Die höchste Eisenbahn. Das neue Album „Die traurigen Hummer“ besticht mit genau diesem Charme der nahbaren Attraktion.
Moritz Krämer aka Der König des Understatements
Obwohl Krämer Authentizität und Understatement groß schreibt, ist jeder Song ein kleines Spektakel. Nur weil er sich nicht hinter einer schillernden Pop-Persona verbirgt, heißt das nicht, dass er nicht groß auffährt. So gibt es einige tolle Momente, in denen Klarinetten oder Geiger zum Einsatz kommen und die akustischen Gitarrenstrummings werden mit Synthesizer aufgemischt. Über allem steht natürlich die gefühlige, raue Stimme von Moritz Krämer selbst. Diesmal zeigt er noch mehr Mut zur Durchlässigkeit und zu kleinen Fehlern. Passenderweise neigt er gerade zu Brüchen und Imperfektion auf dem Song „Auffliegen“ – ein Titel über das Hochstapler-Syndrom, Versagensangst und dem Aufrechterhalten des Scheins.
Stilistisch sticht der Song „Austauschbar“ besonders hervor, denn hier werden die Gitarren gänzlich in den Hintergrund verfrachtet und die Synthesizer treten besonders prominent auf. Der Refrain scheint und strahlt über die rhythmischen und gesetzten Verse hinweg. Die Silben verschwimmen miteinander, werden lang gezogen und gehen eine Symbiose mit den satten Synthies ein. Dabei gibt es überall kleine Wortspielereien zu entdecken. Zwischen komischen Momenten und bizarren Szenerien bleibt eine subtile Melancholie doch der rote Faden bei Moritz Krämer.
Besonders berührend ist das Duett mit Larissa Pesch. „Schwarzes Licht“ klingt traumhaft schön, fast nach einem Titel aus einem Disney-Musical. Kleine Momente der Stille, der zurückgenommenen Intimität werden durch satte Streicher und verträumte Vocals ergänzt. Gleichzeitig nimmt das Lied Bezug auf Depressionen und dem Sehnen nach einem Neuanfang. Ein ganz besonderes Highlight dieses Albums, das voller Hingabe und Gutmütigkeit steckt!